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01/25
Inhaltsverzeichnis

Dialysebehandlung im Schlaf:
Eine Alternative zur Tagesdialyse?

Zusammenfassung

Die Wahl des optimalen Zeitpunkts für eine Hämodialysebehandlung kann einen erheblichen Einfluss auf die Lebensqualität von Dialysepatienten haben. Während die Tagesdialyse für viele Patienten etabliert ist, gewinnt die nächtliche Dialyse zunehmend an Bedeutung. Die vorliegende Arbeit, verfasst von einer Teilnehmerin der Weiterbildungsstätte, beleuchtet die Vor- und Nachteile beider Behandlungsformen. Sie liefert wertvolle Entscheidungshilfen für das Pflegepersonal, um Patienten gezielt zu beraten und zu unterstützen. Besondere Beachtung findet der Einfluss der Dialysezeiten auf den Schlaf, welcher für das physische und psychische Wohlbefinden essenziell ist.

Abbildung 1: KI generiertes Bild

Schlaf – Ein biologisches Grundbedürfnis

Schlaf ist für den menschlichen Organismus unverzichtbar. Er dient der körperlichen und geistigen Regeneration und beeinflusst zahlreiche physiologische Prozesse. Der Schlaf-Wach-Rhythmus wird durch spezialisierte Zellen im Thalamus, Hirnstamm und oberen Rückenmark gesteuert. Diese regulieren hormonelle Prozesse, die Müdigkeit und Wachheit steuern (Keller, 2014, S. 528). Schlafmangel kann erhebliche Folgen haben und sich sowohl auf die kognitive Leistungsfähigkeit als auch auf das emotionale Gleichgewicht auswirken.

Während des Schlafs durchläuft der Körper verschiedene Phasen. Der Non-REM-Schlaf umfasst die Einschlafphase, den leichten Schlaf und den Tiefschlaf. In dieser Phase kommt es zur Erholung des Körpers: Der Blutdruck sinkt, die Atmung verlangsamt sich und die Muskelspannung nimmt ab. Anschließend folgt die REM-Phase, in der der Blutdruck steigt, das Gehirn aktiv ist und Träume besonders intensiv wahrgenommen werden (Keller, 2014, S. 530). Die Balance zwischen diesen Phasen ist entscheidend für eine erholsame Nachtruhe.

Individuelles Schlafbedürfnis

Der Schlafbedarf variiert individuell und verändert sich im Laufe des Lebens. Neugeborene benötigen bis zu 18 Stunden Schlaf, während Erwachsene mit durchschnittlich sieben bis acht Stunden auskommen (Keller, 2014, S. 530). Neben dem Alter beeinflussen Faktoren wie körperliche Aktivität, Lebensstil und genetische Veranlagung das Schlafverhalten. Ein erhöhter Schlafbedarf kann durch Stress, Erkrankungen oder hohe körperliche Belastung entstehen. Umgekehrt können inaktive Menschen oder Personen mit unregelmäßigem Tagesablauf vermehrt unter Schlafstörungen leiden.

Schlafstörungen und deren Auswirkungen

Schlafstörungen sind weit verbreitet und können die Lebensqualität erheblich beeinträchtigen. Sie lassen sich in verschiedene Kategorien einteilen:

  • Einschlaf- und Durchschlafstörungen: Betroffene haben Schwierigkeiten, einzuschlafen oder wachen häufig auf. Dies kann durch Stress, Angst oder körperliche Beschwerden ausgelöst werden (Keller, 2014, S. 531).
  • Schlafbezogene Atmungsstörungen: Dazu gehört das obstruktive Schlafapnoe-Syndrom, bei dem es zu wiederholten Atemaussetzern kommt. Dies kann langfristig zu kardiovaskulären Problemen führen (Jürgens, 2011, S. 179).
  • Parasomnien: Hierzu zählen Schlafwandeln, Albträume und nächtliche Angstzustände, die oft durch psychische Belastungen verstärkt werden (Keller, 2014, S. 532).

Ein gestörter Schlaf kann negative Auswirkungen auf das Immunsystem, den Stoffwechsel und die psychische Gesundheit haben. Müdigkeit, Konzentrationsprobleme und Gereiztheit sind häufige Folgen. Für Dialysepatienten sind Schlafprobleme besonders kritisch, da sie das allgemeine Wohlbefinden und die Verträglichkeit der Behandlung beeinflussen können (Keller, 2014, S. 531-532).

Lösungsansätze zur Verbesserung des Schlafs

Zur Behandlung von Schlafstörungen gibt es verschiedene Ansätze. Neben medikamentösen Maßnahmen, die nur in Ausnahmefällen und unter ärztlicher Aufsicht eingesetzt werden sollten, gibt es zahlreiche nicht-medikamentöse Strategien:

  • Schlafhygiene: Regelmäßige Schlafzeiten, Vermeidung von Koffein und Alkohol sowie eine angenehme Schlafumgebung können die Schlafqualität verbessern (Keller, 2014, S. 532).
  • Entspannungstechniken: Methoden wie autogenes Training, progressive Muskelentspannung oder Meditation helfen, den Körper zur Ruhe zu bringen.
  • Physiologische Anpassungen: Lichtreduktion, eine angenehme Raumtemperatur und eine bequeme Matratze tragen zu einem besseren Schlaf bei.
  • Verhaltenstherapie: Besonders bei chronischen Schlafstörungen kann eine kognitive Verhaltenstherapie helfen, schädliche Denkmuster und Gewohnheiten zu durchbrechen (Keller, 2014, S. 533).

Schlafassessment als Entscheidungsgrundlage für die Dialysezeit

Um die individuelle Eignung eines Patienten für eine nächtliche Dialyse zu bewerten, ist ein strukturiertes Schlafassessment von großer Bedeutung. Ziel ist es, den aktuellen Schlaf-Wach-Rhythmus, bestehende Schlafstörungen sowie die subjektive Schlafqualität zu erfassen (Keller, 2014, S. 529-530). Dabei sollten sowohl physiologische als auch psychologische Faktoren berücksichtigt werden (Jürgens, 2011, S. 179).

Das Assessment umfasst:

Abbildung 3: Faktoren des Schlafassessments

Mithilfe von Schlafprotokollen oder standardisierten Fragebögen kann das Pflegepersonal eine fundierte Einschätzung treffen und den Patienten entsprechend beraten. Die Durchführung einer umfassenden Schlafanamnese, ergänzt durch gezielte Beobachtungen des Schlafverhaltens, kann ebenfalls wertvolle Hinweise zur Auswahl der Dialysezeit liefern (Keller, 2014, S. 529-530).

Der Einfluss des Schlafs auf die Dialyseentscheidung

Schlaf ist eine essenzielle physiologische Funktion, die für Regeneration und Wohlbefinden sorgt. Patienten, die sich für eine nächtliche Dialyse entscheiden, erhoffen sich eine bessere Vereinbarkeit der Behandlung mit beruflichen und privaten Verpflichtungen. Andererseits kann die Nachtdialyse auch Schlafstörungen verstärken oder zu Einschränkungen der Privatsphäre führen (Keller, 2014, S. 528-530).

Schlafphasen und ihre Bedeutung für die Erholung:

Abbildung 4: Schlafphasen (eigene Darstellung)

Hämodialyse am Tag: Vor- und Nachteile

Die Tagesdialyse ist für viele Patienten die gewohnte Therapieform. Sie ermöglicht soziale Kontakte mit anderen Patienten und dem Pflegepersonal, was besonders für ältere oder alleinlebende Patienten von Vorteil sein kann (Breuch et al., 2021, S. 214-215). Allerdings kann die Behandlung den Tagesablauf erheblich einschränken, insbesondere wenn berufliche oder familiäre Verpflichtungen bestehen. Müdigkeit nach der Dialyse ist ebenfalls eine häufige Herausforderung (Breuch et al., 2021, S. 215).

Hämodialyse in der Nacht: Eine Alternative?

Die nächtliche Dialyse bietet eine verlängerte Behandlungsdauer, wodurch eine effektivere Entgiftung und eine schonendere Ultrafiltration möglich sind (Rissling, 2010, S. 39-40). Zudem bleibt der Tag für Arbeit, Familie oder Freizeitaktivitäten frei. Dennoch gibt es Herausforderungen: Schlafstörungen, das Risiko von Punktionskomplikationen durch Bewegungen im Schlaf und eine eingeschränkte Privatsphäre (Rissling, 2010, S. 42-43).

Kriterien zur Wahl der Dialysezeit

Geeignet für Nachtdialyse:

  • Patienten mit stabiler Kreislaufsituation

  • Patienten mit beruflichen oder familiären Verpflichtungen am Tag

  • Patienten mit ausreichender Schlafqualität trotz externer Faktoren


Geeignet für Tagesdialyse:

  • Patienten mit ausgeprägten Schlafstörungen

  • Patienten mit erhöhter Bewegungsaktivität im Schlaf

  • Patienten mit großem sozialen Bedürfnis während der Behandlung

Fazit und Ausblick

Die Wahl der Dialysezeit sollte individuell und unter Berücksichtigung der Patientenpräferenzen getroffen werden. Die Beratung durch das Pflegepersonal spielt eine entscheidende Rolle bei der Entscheidungsfindung. Die Arbeit zeigt, dass ein detailliertes Schlaf- und Lebensstilassessment essenziell ist, um die bestmögliche Behandlungszeit zu bestimmen (Schönweiß, 2006, S. 1018).

Eine weiterführende Untersuchung zur Optimierung der Schlafqualität während der Dialyse könnte zusätzliche Erkenntnisse liefern, insbesondere in Bezug auf Umweltfaktoren und individuelle Anpassungsmöglichkeiten der Behandlung.

Autorenangaben:
Frau Verena Brinkschulte
St. Martiniushospital Olpe
Fachkraft Nephrologie, ehemalige Weiterbildungsteilnehmerin in der FWB Nephrologie in der Universitätsmedizin Essen


Literaturverzeichnis

Breuch, G. (2019). Blutreinigungsverfahren im Einzelnen. In Breuch, G., & Müller, E. (Hrsg.), Fachpflege. Nephrologie und Dialyse (6. Aufl., S. 353-415). München: Elsevier.

Breuch, G., Servos, W., Gerpheide, K., Kauer, R., & Müller, E. (2021). Dialyse für Einsteiger. München: Elsevier.

Jürgens, K. (2011). Nervensystem. Gehirn. In R. Huch, & K. Jürgens (Hrsg.), Mensch Körper Krankheit (6. Aufl., S. 141-180). München: Elsevier.

Keller, C. (2014). Pflege Heute. In Lauster, M., Drescher, A., Wiederhold, D., & Menche, N. (Hrsg.), Pflege Heute (6. Aufl., S. 315-552). München: Elsevier.

Lauster, Drescher, Wiederhold & Menche, (2014). Beobachten, Beurteilen, pflegerische Interventionen, in Pflege heute, (S. 315-623). München: Elsevier.

Rissling, A. (2010). Schlafdialyse aus 3 Perspektiven. Medizin, Patient und Pflege. Dialyse aktuell, 14(1), S. 39-43. doi:10.207059/0110

Schönweiß, G. (2006). Dialysefibel 3. Individualität, Flexibilität und Qualität in der Dialyse (3. Aufl.). Bad Kissingen: abakiss.

Inhaltsverzeichnis fnb eJournal 01/25
  • Cover der Ausgabe
  • Grußwort
  • Editorial
  • Exergames in der Dialyse: Bewegung, die Leben verändert
  • Dialysebehandlung im Schlaf: Eine Alternative zur Tagesdialyse?
  • Selbstbestimmung bis ans Lebensende: Advanced Care Planning in der Dialyse
  • Sind Diabetiker unter Peritonealdialysebehandlung anfälliger für die Entwicklung einer Peritonitis als PD-Patienten, bei denen kein Diabetes vorliegt?
  • Redaktionelles Team
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