fnb eJournal
03/25
Inhaltsverzeichnis

Künstliche Intelligenz in der nephrologischen Pflege und Dialyse: Entlastungspotenziale und kritische Aspekte – eine Übersichtsarbeit aus aktueller Literatur und Studien

Zusammenfassung

Künstliche Intelligenz (KI) wird auch in der nephrologischen Pflege und Dialyse zunehmend an Bedeutung gewinnen. Insbesondere in den Bereichen Pflegediagnostik, Gestaltung von Pflegeprozessen, Einteilung von Patientinnen und Patienten, Feststellung von Leistungskategorien und Überwachung können KI-unterstützte Systeme wertvolle Hilfsmittel sein, um die Vorgaben des Pflegeberufegesetzes (PflBG) zu erfüllen. Da diese Möglichkeiten bislang noch nicht in allen Einrichtungen ausgeschöpft werden, kann der Einsatz von KI-Systemen eine wichtige Umsetzungshilfe darstellen. Durch automatisierte Datenauswertung lassen sich der Pflegeaufwand und die individuellen Pflegebedürfnisse besser einschätzen und dokumentieren. Gleichzeitig sind mit der zunehmenden Technologisierung auch Risiken verbunden: die Entfremdung von Patientinnen, eine potenzielle Überabhängigkeit von Algorithmen und ethische Herausforderungen im Datenschutz. Der richtige Ausgleich zwischen technischer Unterstützung und menschlicher Fürsorge bleibt daher entscheidend für eine ganzheitliche Patientenversorgung.

Beispielbild: Stock‑1215265825

Keywords

Künstliche Intelligenz, nephrologische Pflege, Dialyse, Pflegediagnostik, Pflegeprozess, Patientenkategorisierung, Pflegeaufwand, Entlastung, Ethik, Datenschutz

Was bringt KI im Bereich der nephrologischen Pflege?

Der Einsatz von KI in der Dialyse und nephrologischen Pflege birgt erhebliche Entlastungspotenziale für Pflegekräfte. Insbesondere bei der Pflegediagnostik unterstützt KI durch die Analyse von Daten aus Patientenakten dabei, Pflegeprozesse zu strukturieren und zu dokumentieren. Dies entspricht einer der zentralen Aufgaben von Pflegefachpersonen gemäß §4 Abs. 2 PflBG, in dem u.a. die Erhebung und Feststellung des individuellen Pflegebedarfs sowie die Organisation, Gestaltung und Steuerung des Pflegeprozesses als Vorbehaltsaufgaben geregelt sind. Durch KI-Systeme kann diese Aufgabe automatisiert unterstützt werden (Bundesministerium für Gesundheit 2017).

Weiterhin ermöglicht KI eine präzise Patientenkategorisierung, da sie auf eine umfassende Datenbasis zurückgreift. Komplexe Parameter, Komplikationen oder Vitalfunktionen werden analysiert, um den individuellen Pflegeaufwand von Dialysepatienten genauer einzuschätzen. Dies führt zu einer optimierten Ressourcenplanung und einer bedarfsgerechten Pflege, wovon sowohl Patient*innen als auch Pflegepersonal profitieren (PMC 2024; Medmedia 2025).

Ein aktuell besonders betonter Aspekt ist die Schaffung von Freiräumen durch KI. Dadurch können sich Pflegepersonen vermehrt der Menschlichkeit und zwischenmenschlichen Zuwendung widmen. Laut Fraunhofer IAO können smarte Technologien repetitive, administrative und körperlich belastende Aufgaben übernehmen. Dadurch gewinnen Pflegekräfte täglich mehr Zeit für die individuelle Betreuung. Diese neu gewonnene Zeit sollte konsequent genutzt werden, um den Pflegealltag menschenzentrierter zu gestalten und das emotionale Wohlbefinden der Patient*innen in den Mittelpunkt zu stellen (Fraunhofer IAO, 2025).

Innovative KI-Systeme wie Dialysis.AI oder smarte Dialysegeräte mit Echtzeit-Überwachung entlasten das Pflegepersonal durch automatisierte Alarmsysteme in kritischen Situationen und dynamische Anpassungen der Behandlung zusätzlich. Ebenso unterstützen KI-gestützte Anwendungen komplexe pflegerische Tätigkeiten wie die Shunt-Punktion durch bildgebende und assistive Technologien (Fresenius Medical Care, 2025).

abbildung: besipielbild, pexels-beyzaa-yurtkuran-279977530-16245254_720

Die kritische Seite von KI

Der verstärkte Einsatz von KI in der Pflege birgt jedoch auch Risiken: Menschliche Kontakte und empathische Zuwendung könnten zugunsten technokratischer Prozesse verloren gehen. Studien und Expertenberichte zeigen, dass die durch Automatisierung entstandenen Freiräume nicht immer aktiv für eine intensivere Patientenbetreuung genutzt werden. Dies kann eine Entfremdung zwischen Pflegepersonal und Patient:innen fördern (Dup Magazin 2025). Zudem besteht die Gefahr, dass Pflegekräfte bei zu großem Vertrauen in KI-Algorithmen ihre eigene klinische Urteilskraft und Beobachtungskompetenz verringern. Dies kann besonders bei unvorhersehbaren Einzelfällen schwerwiegende Folgen haben, da die Erfahrung und Intuition der Fachkräfte durch starre Algorithmen nicht vollständig ersetzt werden können (Springer Medizin, 2025).

Darüber hinaus besteht durch die Abhängigkeit von Technologie ein fundamentaler Kontrollverlust, ähnlich wie viele Autofahrer heute das Kartenlesen verlernt haben, weil das Navigationssystem alle Wege vorgibt. Diese Analogie verdeutlicht, dass technische Entlastung immer auch mit einem gewissen Kompetenzverlust einhergehen kann. Pflegefachkräfte könnten grundlegende Fähigkeiten wie das Erfassen und Einschätzen eines komplexen klinischen Bildes zugunsten der vermeintlich sicheren, aber automatisierten Entscheidungen der KI verlernen. Es ist daher notwendig, den Einsatz von KI kritisch zu begleiten, um die Balance zwischen Entlastung und Kompetenzerhalt sicherzustellen. Dies erfordert Schulungen, Transparenz und bewusste Reflexion (Medmedia 2025).

Nicht zuletzt stellen die Erhebung, Analyse und Speicherung sensibler Patientendaten erhebliche ethische und datenschutzrechtliche Herausforderungen dar, die bei der Einbindung von KI-Systemen strikt berücksichtigt werden müssen. Datenschutz und die Wahrung der Patientenautonomie sind wesentliche Grundpfeiler, die auch in der digitalen Pflege unverzichtbar sind (Medmedia 2025; PMC 2024).

Fazit

Insgesamt kann KI eine vielversprechende Ergänzung zur nephrologischen Pflege darstellen und für Entlastung sowie Effizienzsteigerung sorgen. Entscheidend bleibt jedoch, dass technologische Systeme den Menschen nicht ersetzen, sondern unterstützen, um eine patientenzentrierte und empathische Versorgung zu gewährleisten. Pflegefachpersonen sollten befähigt werden, die durch KI gewonnenen Freiräume gezielt für die zwischenmenschliche Fürsorge und die Erweiterung ihrer professionellen Kompetenzen zu nutzen.

Autorenangaben:
Thomas Fernsebner und Nicole Griffel
Ein Beitrag des redaktionellen Teams des Fachverbandes nephrologischer Berufsgruppen e. V.


Literaturverzeichnis

Bundesministerium für Gesundheit (2017) 'Gesetz über die Pflegeberufe (Pflegeberufegesetz - PflBG)', [online]. Verfügbar unter: bundesgesundheitsministerium.de/pflegeberufegesetz.html

Dup Magazin (2025) 'Pflege-Robotik: Technik im Dienst der Menschlichkeit', [online]. Verfügbar unter: dup-magazin.de/robotik-landingpage/robotik-forschungseinrichtungen-und-start-ups/wenn-roboter-menschlichkeit-ermoeglichen

Fraunhofer IAO (2025) 'KI in der Pflege: Wie smarte Technologien Freiräume für mehr Menschlichkeit schaffen', [online]. Verfügbar unter: blog.iao.fraunhofer.de/ki-in-der-pflege-wie-smarte-technologien-freiraeume-fuer-mehr-menschlichkeit-schaffen

Fresenius Medical Care (2025) 'KI-basierte Anwendung des Anämiekontrollmodells für die Dialyse', [online]. Verfügbar unter: freseniusmedicalcare.com/de/medien/newsroom/ki-basierte-anwendung-des-anaemiekontrollmodells-fuer-cms-ai-demo-days-in-den-usa-ausgewaehlt

Hauptverband der Bayerischen Sozialversicherungsträger (2025) 'Technologie in der Pflege: Künstliche Intelligenz in der Pflege', [online]. Verfügbar unter: hcm-magazin.de/kuenstliche-intelligenz-in-pflegeeinrichtungen-424326 

Medmedia (2025) 'Künstliche Intelligenz in der Nephrologie | NEPHROScript', [online]. Verfügbar unter: medmedia.at/nephro-script/kuenstliche-intelligenz-in-der-nephrologie

PMC (2024) 'Künstliche Intelligenz und Akute Nierenschädigung', [online]. Verfügbar unter: ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC10995052

Springer Medizin (2025) 'Künstliche Intelligenz in der Nephrologie', [online]. Verfügbar unter: springermedizin.de/akutes-nierenversagen/akutes-nierenversagen/kuenstliche-intelligenz-in-der-nephrologie/23611724

Inhaltsverzeichnis fnb eJournal 03/25
  • Cover der Ausgabe
  • abbildung: pixabay, notebook-1840276_1280
    Editorial
  • Künstliche Intelligenz in der nephrologischen Pflege und Dialyse
  • Von Symptomen zu Signalen: Digitale Prävention und die Rolle der nephrologischen Fachpflege bei CKD
  • Telecoaching für Patient:innen mit fortgeschrittener CKD
  • Muskelkrämpfe bei Dialysepatienten – strategisches Handeln mit Hilfe des Pflegeprozesses
  • Wir suchen Ihre Beiträge!
  • Redaktionelles Team
Impressum  |  Datenschutzerklärung